"HÖRT, HÖRT...!" Die Geburt der guten Nachricht (D. Schulte)

Artikel St. Antoniusblatt, Dezember 2023, Daniel Schulte

HÖRT, HÖRT…

Die Geburt der guten Nachricht

Nachdem es seit Sommer in meinen Beiträgen viel ums „Hören“ ging, wollen wir speziell auch zu Weihnachten noch einmal „ganz Ohr“ sein – denn rund um die Geburt der guten Nachricht, so wie es uns die biblischen Evangelisten berichten, gibt es höchst erfreuliche Klänge und Botschaften zu vernehmen. Fazit: Das gehört gehört…!

Unerhörte Not – verstimmte Herzen

Bei allem Schönen und Guten wissen wir: Unsere Welt ist ein unsicherer Ort. Von Egoismus, Angst und Hass geplagt. Es gibt schier unerhörte Not, vieles davon hausgemacht. Das war nie anders, hat sich über die Jahrhunderte nur erschreckend gesteigert. Man mag sie nicht mehr hören, die Klänge des Krieges und der Katastrophen, die Misstöne der schlechten Nachrichten. Außer man hält sich die Ohren zu, schaltet auf Durchzug – aber das löst leider keine Probleme. Genauso wenig hilft es, die Verantwortung immer bei anderen zu suchen – dies gehört vielmehr zum Kern des Problems. Denn das Problem der Menschheit sind nun mal die Missklänge unserer menschlichen Herzens – quer durch alle Kulturen und Prägungen hindurch. Deshalb gilt es, genau dort anzusetzen. Wie verstimmte Instrumente rufen unsere Herzen nach neuer Harmonie und Ausrichtung auf die göttliche Frequenz, für die sie geschaffen wurden. Womit wir schon bei der Notwendigkeit und guten Nachricht von Weihnachten sind.

Erhörte Sehnsucht

Immer wieder zeigt sich: Die Not lehrt beten. Sie schafft Raum für Sehnsucht nach Hilfe und Erneuerung. So wie es schon zur Zeit des ersten Weihnachtsfestes war, speziell unter dem jüdischen Volk, das bereits seit Jahrhunderten zu leiden hatte – nicht nur als Spielball der umliegenden Völker, sondern auch unter der Erkenntnis ihrer eigenen Schuld. Aber aus diesem Schmerz heraus war eine unbändige Messias-Hoffnung erwachsen, genährt durch die Botschaft vieler Propheten – eine betende Erwartung der Erlösung, die Gott verheißen hatte… wie immer diese aussehen würde. Und dann kam sie mit Jesus zur Welt. Weihnachten wurde zur Geburtsstunde der längst überfälligen, guten und frohmachenden Botschaft: Gott hört und hilft! Gott lässt uns mit unserer Not und unseren verdrehten Herzen nicht allein.

Die beiden alten, jüdischen Beter Hanna und Simeon, von denen der Evangelist Lukas berichtet (Lukas 2,25-40), waren Vertreter dieser Messias-Erwartung im jüdischen Volk – und sie konnten ihr Glück nicht fassen, als sie Jesus im Tempel begegneten. Sie wussten sofort: Gott hatte ihre verzweifelten und sehnsüchtigen Gebete erhört.

Hörender Gott - hörende Herzen?

Die Weihnachtsgeschichte beginnt also mit einem hörenden Gott, der sich dieser Welt zuwendet. Viel mehr: Er verschenkt sich uns mit Haut und Haar, kommt uns ganz nah: Immanuel, Gott ist mit uns. Gott nimmt die Not dieser Welt derart ernst, dass er sogar hineinsteigt, unter ihr leidet, um sie von innen nach außen zu überwinden. Da die Not dieser Welt aber ihre Wurzel in unseren Herzen hat, will Weihnachten zur Herzensangelegenheit werden – oder wie Angelus Sibelius (1624 - 1677) zitiert wird: „Und wäre Christus tausendmal zu Bethlehem geboren, aber nicht in dir, so bleibst du dennoch ewiglich verloren.“ Der Erlöser will also in unsren Herzen zur Welt kommen, um dieser Welt neue Hoffnung zu schenken. Was es dazu braucht, ist „Glaube“ bzw. ein hörendes und empfängliches Herz für diese unglaubliche Frohbotschaft.

Besonders die beiden Evangelisten Matthäus und Lukas laden uns dazu ein, ganz Ohr zu sein für die Klänge und Botschaften, die sich mit der Geburt des Erlösers verbinden.

Hört, hört… und lernt zu schweigen

Beim Bericht nach Lukas beginnt alles damit, dass dem Priester Zacharias vom Engel Gabriel ein unfreiwilliges Schweigen verordnet wird (Lk 1), weil dieser zunächst nicht glauben wollte, was ihm angekündigt worden war– nämlich die Geburt seines Sohnes, des späteren Täufers Johannes. In diesem verordneten Schweigen (bzw. Nicht-reden-können) erkennen wir nicht zuletzt eine symbolische Zeichenhandlung für uns alle: In Vorbereitung der Weihnachtsbotschaft gilt es, das Schweigen einzuüben, der Stille Raum zu geben. Sich vom Störlärm des Alltags und des eigenen Herzens frei machen. Denn nur ein schweigendes, stilles Herz ist wirklich empfänglich für das, was Gott uns mitteilen möchte. Und mit der Geburt Jesu teilt er sein Herz mit uns. Vielleicht singen wir deshalb in diesem Jahr umso bewusster: „Stille Nacht, heilige Nacht…!“ Denn was dort geschieht, verschlägt einem sowieso die Sprache, da fehlen einem schlicht die Worte!

Hört, hört… der Vierklang des Friedens

Wenn wir uns durch die beiden biblischen Geburtsgeschichten lesen, machen wir eine wunderbare Entdeckung – sozusagen ein vierfacher Wohlklang des Friedens: Durch seinen himmlischen Boten Gabriel ruft Gott sowohl der Maria als auch Josef, dem Priester Zacharias und den Hirten auf dem Feld jeweils dasselbe zu. Die ersten Worte der himmlischen Mitteilung lauten für alle: „Fürchte dich nicht – Friede sei mit dir!“ Wie herrlich, wohltuend und notwendig ist das für eine derart geplagte Welt wie unsere, für belastete Herzen. All dies wird uns mit der Geburt des Erlösers zugesprochen: Friede - ein Trostwort gegen die Angst. Friede – ein Heilmittel gegen Hass und Egoismus! Ein heilsamer, vierfacher Wohlklang des Friedens, der mit Jesus zur Welt kam! Den dürfen wie ebenso persönlich hören wie diese vier Personen bzw. Personengruppen der Weihnachtsgeschichte.

Dieser Friede verbindet sich übrigens mit der Zusage der Vergebung, wie sie Josef in Matthäus 1 empfängt. Dort wird der Name „Jesus“ damit erklärt, dass er „sein Volk retten wird von ihren Sünden“. Ja, wahrer Friede ist nur dort möglich, wo Sünde benannt und vergeben wird. Eigene und fremde Sünde. Außerdem ist es ein Friede, der größer ist als alle Angst und alles, was uns Angst machen möchte. Für diesen Frieden kam Jesus zur Welt, aber nicht nur – denn er ging den ganzen Weg bis zum Kreuz. Um dieses Friedens willen gehören Krippe und Kreuz zusammen. Und erst der auferstandene Christus schenkt uns die Gewissheit, dass die Angst überwunden ist, ebenso wie die Macht des Todes. Ja, Friede – dieser kam Weihnachten mit Christus zur Welt und wird zu Ostern ultimativ erlebt! Das nennt sich die gute Nachricht! Echte Frohbotschaft!

Hört, hört… die Freude ruft hinaus

Apropos Freude. Dazu nochmal zu den Hirten: Sie hören nicht nur die Botschaft des Friedens, sondern eben auch von der Geburt der Freude: „Siehe, wir verkündigen euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!“ (Lukas 2,10-11) Das setzt die Männer in Bewegung, sie gehen nach Bethlehem, finden das Kind in der Krippe und ziehen voller Freude wieder ihrer Wege. Unterwegs können sie nicht an sich halten und erzählen voller Freude von dem, was sie „gehört und gesehen hatten“. Ja, bei diesem Jesus kommt echte Freude auf – die sich mit echtem Frieden verbindet. Diese Botschaft gehört gehört – und deshalb laut und fröhlich in die Welt getragen!

Hört, hört… und lasst es münden im Lobpreis

Die Hirten riefen nicht nur die frohe Botschaft in die Welt hinaus, sondern senden ihre Freude auch nach oben. Sie können nicht anders, als Gott zu danken und zu loben für die unaussprechliche Freude, die er ihnen mit Jesus gemacht hat. Ganz im Sinne der himmlischen Heerscharen, die mit den Engeln gesungen hatten: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Ja, der Friede den Gott schenkt, verbindet sich mit der Ehre, die er verdient! Gloria in excelsis Deo!

Wie wir es mit dem alten Weihnachtslied aus Frankreich so wunderbar singen:

Hört, der Engel helle Lieder
klingen das weite Feld entlang,
und die Berge hallen wider
von des Himmels Lobgesang:
Gloria in excelsis Deo.
Hirten, warum wird gesungen?
Sagt mir doch eures Jubels Grund!
Welch ein Sieg ward denn errungen,
den uns die Chöre machen kund?
Gloria in excelsis Deo.
Sie verkünden uns mit Schalle,
dass der Erlöser nun erschien,
dankbar singen sie heut alle
an diesem Fest und grüßen ihn.
Gloria in excelsis Deo.

(Frankreich, 18. Jahrhundert; Originaltitel: „Les Anges dans nos campagnes“)

Hört, hört… wie Maria, mit euren Herzen

Zu guter Letzt soll uns besonders das Beispiel der Maria bleiben. Von ihr lesen wir, dass sie „alle diese Worte in ihrem Herzen behielt und bewegte“. Ja, Maria hat mit dem Herzen gehört, diese Botschaft hat sie dort erreicht, wo sie hingehört. Sie bewahrte dieses Geheimnis des Friedens und der Freude, das sich mit ihrem Sohn Jesus verbindet, wie einen Schatz in ihrem Herzen. Denn nur dort, wo wir diesem Jesus in unseren Herzen Raum geben, kann er uns von innen nach außen heilen und erneuern. Und: Nur, wenn Jesus seinen Weg in unsere Herzen gefunden hat, kann er auch durch uns zur Welt kommen – in eine Welt, die nichts mehr braucht als diesen Wohlklang des Friedens und der Freude!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen von Herzen wohlklingende, besinnliche und frohe Weihnachten.